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  Wie Mutter einen Mann nach Guantanamo brachte

Sie dachte, ihr Artikel wäre satirisch, aber die US-Behörden verstanden keinen Spass

Rosa Brooks

Meine Mutter ist eine Terroristin!

Oder es sieht zumindest so aus, als wären einige nicht identifizierte US-Vernehmungsbeamte dieser Ansicht.

Das alles rührt her von dem satirischen Artikel “Wie baut man seine eigene Wasserstoffbombe?”, den meine Mutter Barbara Ehrenreich mit zwei weiteren Mitautoren vor 30 Jahren verfasst hat. Der Artikel erschien in der Zeitschrift Seven Days und strotzte nur so von hilfreichen Ratschlägen für Möchtegern-Bombenbauer. Zum Beispiel für die Anreicherung von Uran: man bastle „eine einfache Heimzentrifuge. Füllen Sie einen Kübel in der üblichen Größe zu einem Viertel mit flüssigem Uranhexafluorid. Befestigen Sie ein zwei Meter langes Seil am Tragegriff. Nun schwingen Sie den Eimer so schnell wie möglich 45 Minuten lang rund um Ihren Kopf.“  

Gut, dass die Iraner diese Technik nicht entdeckt haben. Aber lachen Sie nicht. Wenn Sie das lesen und jemals gestehen (und glauben Sie mir, unter Folter werden Sie alles gestehen), weiß kein Mensch, was dann passieren kann.

Fragen Sie nur Binyam Mohamed, der diese Woche aus Guantanamo nach Großbritannien entlassen wurde, nachdem er fast sieben Jahre festgehalten worden war. Seine Anwälte sind zur Ansicht gekommen, er sei verdächtigt worden, ein Terrorist zu sein, weil er unter anderem gestand, den Artikel meiner Mutter gelesen zu haben.

Mohamed, ein Flüchtling aus Äthiopien, kam 1994 mit seinem Vater nach Großbritannien. Im Juni 2001 – er war 22 – reiste Mohamed nach Afghanistan. Als dort im Oktober 2001 der Krieg begann, floh er nach Pakistan. Im April 2002 versuchte er, zurück nach Großbritannien zu kommen, aber seine Papiere waren nicht in Ordnung und er wurde von den pakistanischen Behörden verhaftet.

Seine Anwälte berichten, er sei dann brutalen Vernehmungen durch pakistanische und Agenten der Vereinigten Staaten von Amerika unterzogen worden, die überzeugt zu sein schienen, er sei ein hochrangiger Al Qaeda-Vertreter, der über nukleare Geheimnisse Bescheid wisse. Sie sagen, er wurde geschlagen und mit dem Tod bedroht, dann – offenbar in Zusammenarbeit mit der CIA – im Juni 2002 nach Marokko „ausgeliefert“, wo Vernehmungsbeamte wiederholt sein Genital mit einem Skalpell aufschlitzten.  

Ab einem bestimmten Zeitpunkt, sagen sie, begann Mohamed eine beeindruckende Liste von Verbrechen zu gestehen. Bezüglich seines nuklearen Know Hows unter Druck gesetzt, gestand Mohamed in der Tat, den Artikel meiner Mutter im Internet gelesen zu haben, sagte aber, dieser wäre nur ein Schwindel gewesen.

Sie verstanden keinen Spaß. Laut Mohameds Anwälten, die geheime Akten einsehen konnten, scheint dieser Artikel als entscheidendes „Beweisstück” gegen ihren Klienten betrachtet worden zu sein. Ein großes Telefonieren im Geheimdienst hub an, in dem Mohameds “Geständnis”, er habe etwas über die Herstellung nuklearer Waffen gelesen, von Vernehmungsbeamten zu Vernehmungsbeamten weitergereicht wurde, bis schließlich die US-Behörden überzeugt waren, Mohamed sei Teil einer gefährlichen nuklearen Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten von Amerika. 

Mohamed, dessen geistiger Gesundheitszustand sich rapid verschlechterte, wurde nach Guantanamo überstellt und der Verschwörung zur Unterstützung von Al Qaeda angeklagt. Er beteuerte, er sei unschuldig und habe Geständnisse nur aufgrund der Folter abgelegt. Als aber seine Verteidiger die Akten bekommen wollten, von denen sie vermuteten, dass sie ihn entlasten würden, weigerte sich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, diese herauszugeben. Die Anwälte sagten, Mohamed sei im Jahr 2007 so gestört gewesen, dass er die Wände seiner Zelle mit seinen Exkrementen beschmierte.

Schließlich trat der frustrierte Militäranwalt, der für die Strafverfolgung Mohameds abgestellt worden war zurück, um dagegen zu protestieren, dass sein eigenes Büro entscheidende Beweise zurückhielt. Zuletzt wurden alle Anklagen eingestellt. In dieser Woche wurde Mohamed endlich aus Guantanamo entlassen und durfte als freier Mann nach Großbritannien zurückkehren.

Noch immer bleiben viele Details im Verfahren gegen Mohamed geheim. Die Bush-Administration stimmte der Übergabe Mohameds an die britischen Behörden nur unter der Bedingung zu, dass die Details seiner Einvernahme geheim bleiben müssten. Mohameds Anwälte brachten die Angelegenheit vor Gericht, und am 4. Februar stimmte der britische Oberste Gerichtshof zögernd der weiteren Geheimhaltung von Details betreffend Mohameds Einvernahme zu. Der Gerichtshof äußerte allerdings offen seine Bestürzung darüber, dass „eine Demokratie, in der das Gesetz herrscht [die Vereinigten Staaten von Amerika] von einem Gericht in einer anderen Demokratie [Großbritannien] erwartet ... Beweise in Berichten ihrer eigenen Behörden zu unterdrücken ... wo der Beweis maßgeblich für Vorwürfe der Folter ist, ... auch wenn das politisch peinlich sein sollte.“  

Es ist gewiss peinlich als Nation bekannt zu sein, die Gefangene gefoltert hat, und für die Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika, die die Folter Mohameds autorisiert haben, könnten die Folgen, wenn das öffentlich bekannt wird, noch schlimmer als peinlich sein. Allerdings sind die Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika derartige politische Peinlichkeiten schon ziemlich gewöhnt.

Ich nehme an, dass die Unterlagen von Mohameds Einvernahme etwas anderes zeigen würden, das um nichts weniger peinlich für die Vereinigten Staaten von Amerika ist: die Unfähigkeit vieler unserer hochkarätigen Geheimdienstexperten, den Unterschied zu erkennen zwischen der Bedrohung durch ernstzunehmende terroristische Drahtzieher und der Bedrohung durch einen jungen Pechvogel, der einmal einen satirischen Artikel über die Herstellung nuklearer Waffen gelesen hat. 

Ich hoffe, sie werden mich meine Mutter in ihrer Vernehmungszelle besuchen lassen.

 
     
  Rosa Brooks ist Kolumnistin der Los Angeles Times und Professorin für Recht am Georgetown University Law Center, wo sie das Georgetown Law School's Human Rights Center leitet.  
  Copyright 2009 Los Angeles Times - erschienen in der Los Angeles Times am 26.2.2009 > http://fairuse.100webcustomers.com/thatseemsfair/latimes0061.html   
     
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