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  Willkommen bei Obamas Krieg

Eric S. Margolis

Wie Santayana bemerkte sind die, die die Geschichte vergessen verurteilt, diese noch einmal durchzumachen. So ausgelutscht dieser Sager sein mag, er stimmt heute genau so wie damals. 

Am 15. Februar 1989 verließ die 40. sowjetische Armee Afghanistan und setzte damit den Schlusspunkt hinter Moskaus blutige und verheerende Okkupation. Ihr fähiger Befehlshaber General Boris Gromov verließ als letzter sowjetischer Soldat Afghanistan über eine Brücke über den Amu Darya Fluss (Oxus auf Griechisch) – den bereits Alexander der Große bei seiner glücklosen Invasion Afghanistans 327 – 325 v.Chr. überquert hatte.

In einer Dekade grausamer Kämpfe töteten die Rote Armee und ihre kommunistischen afghanischen Aliierten mindestens 1,5 Millionen Afghanen und trieben 2,5 Millionen in das Exil nach Pakistan und Iran.

Der neue sowjetische Präsident Michail Gorbatschow setzte dem Krieg gegen Afghanistan ein Ende, der, begonnen von seinem schwerfälligen Vorgänger Leonid Breschnew und einer Clique von Partei- und KGB-Hardlinern nicht gewonnen werden konnte.

Zum Glück für die Welt erwies sich Gorbatschow als Führer von profunder Menschlichkeit, Ehrsamkeit und Intellekt. Gorbatschow nahm mutig die Niederlage hin und brachte seine Soldaten zurück nachhause. Bald darauf begann die Sowjetunion, ein bankrottes Imperium, das nur mehr durch Furcht und Repression zusammengehalten wurde, zu zerbröckeln. Zu seinem ewigen Ruhm weigerte sich Gorbatschow, Gewalt für den Erhalt des sowjetischen Imperiums anzuwenden. 

Viele Russen hassen Gorbatschow bis zum heutigen Tag und geben ihm die Schuld am Ende der Sowjetunion. Jedenfalls hätte der Einsatz der Roten Armee zur Zerschlagung der Rebellion in den baltischen Staaten und Ostdeutschland leicht zum Ausbruch des Dritten Weltkriegs führen können. Die Welt schuldet Gorbatschow großen Dank für die Abwendung dieses Horrors. Er setzte Menschlichkeit über Nationalismus und Imperialismus.

Der neue Präsident des bankrotten amerikanischen Imperiums sollte sich an Gorbatschows Weisheit ein Beispiel nehmen. Barack Obamas Angelobung hätte eine perfekte Gelegenheit geboten, den von den Vereinigten Staaten von Amerika geführten Krieg gegen Afghanistan anzuhalten und Gespräche mit den afghanischen Gruppierungen aufzunehmen, die sich der fremden Okkupation widersetzen (beide – Sowjets wie US stellten diese als „Terroristen“ hin). Statt dessen versprach Obama, den bereits acht Jahre andauernden Krieg zu intensivieren, der die Vereinigten Staaten von Amerika schon 62 Milliarden $ gekostet hat.

Präsident Obama erklärte, er werde zusätzlich zu den 6.000 von George Bush entsandten 17.000 US-Soldaten nach Afghanistan schicken. Weitere 13.000 werden im Frühling folgen und die Gesamtzahl der US-Besatzungstruppen auf mindestens 66.000 erhöhen. Diese Verstärkungen sollen von den US-Okkupationskräften in Irak abgezogen werden. 

Hardliner im Pentagon und deren republikanische Freunde versuchen allerdings, den Truppenabzug aus Irak zu verzögern oder zu hintertreiben. Ich vermute übrigens auch, dass sich der Irak in einer vorübergehenden Flaute befindet. US-Truppen abzuziehen könnte sich als viel schwieriger erweisen als Obama sich das vorstellt.

Afghanistan ist nicht mehr George Bushs Krieg. Es ist jetzt Präsident Obamas Krieg. Obama legte bereits seine Ziele für Afghanistan fest: „verhindern, dass es als Startrampe für Angriffe auf Nordamerika benutzt wird“ und „al-Qaida niederschlagen“. Er erlaubte auch, dass Verhandlungen versucht werden könnten, um die Taliban aufzuspalten.

Beide erklärten Ziele sind offenkundig falsch. 9/11 war in Deutschland und Spanien organisiert worden, angeblich von Saudis und Pakistanern. Angriffe auf New York, Washington, London, Madrid und Mumbai wurden in Wohnungen und Häusern geschmiedet, nicht in den Bergen Afghanistans. Die meisten der so genannten „terroristischen Trainingslager in Afghanistan“ im Jahr 2001 waren in Wirklichkeit Camps, die vom pakistanischen Geheimdienst betrieben und in denen Mujahidin für Kampfeinsätze im indischen Kaschmir vorbereitet wurden.

Al-Qaida hatte nie mehr als 300 Mann und besteht heute aus einer Handvoll von Flüchtlingen, die sich in Pakistans Stammesgebieten und Baluchistan verstecken. Wie ich in meinem neuen Buch erkläre, war die wichtigste Funktion dieser Organisation der Betrieb eines Gästehauses und einer Datenbank für ausländische Mujahidin, die gegen die Sowjets und afghanischen Kommunisten kämpften. Sie war und ist keine „weltweite terroristische Organisation“. Um die Überlebenden der al-Qaida zu fangen braucht es Polizeiarbeit, nicht tausende schwer bewaffnete Soldaten.

Durch die Ausweitung des Krieges gegen Afghanistan heizt Obama die drohende Gefahr einer größeren Explosion in Pakistan an. Heute operieren US-Kampfflugzeuge und CIA-Killerdrohnen von drei geheimen pakistanischen Luftstützpunkten aus in geheimer Zusammenarbeit mit der pakistanischen Regierung. Washington hat 120.000 pakistanische Soldaten für 100 Millionen $ im Monat gemietet (zuzüglich geheimer Zahlungen des CIA an höhere Ränge in der pakistanischen Regierung in ähnlicher Höhe), um die Okkupation Afghanistans durch die Vereinigten Staaten von Amerika zu unterstützen. 

In einer beispiellosen Weise wird die pakistanische Regierung von Washington bezahlt, damit sie ihre eigene Bevölkerung attackiert und das auch der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika erlaubt. Zu sehen, wie Pakistans neue Regierung nach Washingtons Pfeife tanzt, bietet Freunden Pakistans ein beschämendes Spektakel und seinen Gegnern Anlass für höhnische Verachtung.

Pakistan ist pleite. Die vorhergehende von den Vereinigten Staaten von Amerika gestützte Regierung Musharaf hat die Kassen bis zum letzten Cent ausgeräumt. Eines Tages könnte der Punkt erreicht werden, an dem die pakistanische Mietarmee moderner Sepoys (indische Soldaten im Dienste der britischen Kolonialherrschaft) rebelliert und sich gegen die Regierung wendet, die ihnen ihre muslimischen Glaubensbrüder zu töten befiehlt, während sie Indien seinen Einfluss in Afghanistan ausweiten und Kämpfer für die Unabhängigkeit von Kashmir niederwerfen lässt.

In der Zwischenzeit verblassen die hohen Erwartungen, die viele Amerikaner in Obama gesetzt hatten. Zum Ärger von Amerikas Antikriegsbewegung sieht es so aus, als setze seine Regierung auf die Fortsetzung vieler der illegalen und repressiven Methoden der in Ungnade gefallenen Bush-Regierung, die zu beenden er versprochen hatte: Folter, Entführungen, Abhören von Telefongesprächen, Morde, Verstöße gegen die Verfassung, Vorenthaltung ordentlicher Verfahren. 

Guantanamo mag geschlossen werden, aber der gleich grausame US-Gulag in Bagram in Afghanistan bleibt geöffnet. Keiner der Verantwortlichen für Folter und andere Verbrechen der Bush-Regierung wird sich vor Gericht verantworten müssen.    

Was ist los mit dem Obama, von dem man geglaubt hatte, er werde eine Änderung herbeiführen? Übrig gebliebene Hardliner aus den Tagen Bushs scheinen hinter Obamas Politik gegenüber Afghanistan zu stecken. Die mächtige israelische Lobby sitzt immer noch am Sperrriegel der US-Nahostpolitik. Während der Bombardierungen Gazas durch Israel blieb Obama außer Sicht und verhielt sich ruhig.

Das Pentagon warnt, dass eine Niederlage der NATO in Afghanistan die Allianz zerstören werde – das Fundament der US-Hegemonie über Europa. Nach Irak kann keine weitere Niederlage geduldet werden.

Sowjetische Afghanistan-Veteranen warnen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Aliierten dort eine Niederlage erleiden werden. Das Weiße Haus Obamas kann nicht einmal eine überzeugende politische Strategie für Afghanistan vorweisen. Seine neueste große Idee, den glücklosen Hamid Karzai hinauszuwerfen und einen neuen „Aktivposten“ zu installieren, einen der von der CIA aufpolierten „guten“ Afghanen, die der Anführer der Taliban Mullah Omar blumig als „Hundewäscher“ tituliert.

Washington hofft, dass die Truppenverstärkungen der Vereinigten Staaten von Amerika den nationalen afghanischen Widerstand zur Anerkennung der US-Herrschaft knüppeln werden. Dann kann endlich die lang geplante Pipeline von der Kaspischen Senke durch Afghanistan und Pakistan gebaut werden.

Nette Unterhaltung übers Geigenspiel, während Rom brennt. Es stellt sich heraus, dass die wirkliche Bedrohung der Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika nicht von Osama bin Laden oder Mullah Omar ausgegangen ist, sondern von den unbeaufsichtigten kriminellen Finanziers und rücksichtslosen Spielern in Wall Street, die die Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika abgewrackt und die globale finanzielle Stabilität in Gefahr gebracht haben.  

Diese halten sich nicht in Afghanistan, sondern mitten in New York City auf.

   
     
  erschienen auf www.ericmargolis.com am 23.02.2009  > http://www.ericmargolis.com/political_commentaries/welcome-to-obamas-war_1.aspx  
  Als erfahrener Berichterstatter in vielen Konflikten wurde Eric S. Margolis kürzlich im britischen Sky News TV präsentiert als "Mann, der es gewusst hat" - mit seinen Warnungen vor den gefährlichen Risiken und Verstrickungen, mit denen die Vereinigten Staaten von Amerika in Irak konfrontiert wären. Seine Artikel erscheinen in New York Times, International Herald Tribune, Los Angeles Times, Times of London, The Gulf Times, Khaleej Times, Dawn und vielen weiteren Zeitungen.  
     
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